Following (1998) – Christopher Nolans erster großartiger Film

Es gibt wohl keinen Regisseur der im Moment angesagter ist als Christopher Nolan. Er ist, vielleicht neben Aronofsky, wohl der Regisseur der 2000er- und 2010er-Jahre. Während aber Aronofsky durchaus schon mal auch in den Kitsch und esoterische Unausgegorenheiten abdriftet („The Fountain“, „Noah“, zum Teil sogar im recht großartigen Film „Pi“, denn bezüglich kabbalistischer Weisheiten blieb er auch da bestenfalls an der Oberfläche), so ist Nolan in der Qualität seiner Werke stabiler. Im Gegensatz zu ihm und auch zu den großen, wirklich einflussreichen Regisseuren der 90er-Jahre, Quentin Tarantino und die Coen-Brothers, tendiert er aber auch weit mehr in Richtung Mainstream-Hollywood-Kino. Von den drei anderen Genannten ist es nur schwer vorstellbar, dass sie sich des Batman-Stoffes annehmen würden, aber genau das ist auch sein Erfolgsrezept: Bleibe im Mainstream, überfordere die Leute nicht mit deinen Ideen („Inception“ ist dahingehend vielleicht eine Ausnahme), mache unterhaltsame Filme, aber gib ihnen etwas Besonderes, ein wenig Anspruch mit. Es ist die zutiefst amerikanische „(später-)Scorsese-Formel“, die ihm den Platz am Gipfel des Olymps momentan sichert.

Den aber wohl innovativsten Film machte Nolan relativ am Anfang seiner Karriere, als ihm noch keine Millionen-Budgets zur Verfügung standen. „Memento“ zeugte von seinen unglaublichen Fähigkeiten als Drehbuchautor eine narrative Story so in Einzelteile zu zerhacken, sodass es für den Betrachter des Films zu einem einmaligen filmischen Erlebnis wird. „Pulp Fiction“ (1994) hatte ganz offensichtlich auch bei ihm Spuren hinterlassen und „Memento“ war schließlich auch seine Eintrittskarte für die nun darauf folgende erstaunliche Karriere.

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Vor „Memento“ hatte der Regisseur – so weit bekannt – nur einen einzigen abendfüllenden Spielfilm geschaffen bzw. nur ein Einziger wurde im Nachhinein einer breiteren Öffentlichkeit auch zugänglich gemacht. Mit 28 Jahren drehte Nolan mit ein paar Freunden im Laufe eines Jahres den rund 70-minütigen Spielfilm „Following“ (1998), ohne professionelle Schauspieler und ohne Budget. Wie drei Jahre zuvor „La Haine (dt. Hass)“ (1995) war dieser in schwarz-weiß-gehaltene Film ein Zeugnis des jungen und frechen europäischen Kinos. Doch im Gegensatz zu dem französischen Indiefilm, der in dieser Weise niemals in den U.S.A. entstehen hätte können, wenngleich auch dieser einen amerikanischen Film zitiert (Vincent Cassel imitiert die berühmte Spiegelszene aus Scorseses frühem Meisterwerk „Taxi Driver“), stand der britische Film von Nolan bereits mit 2 Händen und einem Fuß in der Tradition des amerikanische Kinos. Während bei „La Haine“ die Wahl des Schwarzweißfilms viel eher eine stilistische und atmosphärische Wirkung hatte, so ist bei Nolans Film dies auch eine klare inhaltliche Referenz an den zutiefst amerikanischen ‚Film Noir‘. „Following“ erinnert aus mehreren Gründen an die großen Klassiker des amerikanischen Kinos der 40er- und 50er-Jahre, v.a. wie er die Spannung aufbaut, aber auch hinsichtlich des Einsatzes einer klassischen ‚femme fatale‘. Nolans Interesse an der amerikanischen Pop- und Film-Kultur zeigt sich aber ebenso an den Hinweisen, die er z.B. im Hintergrund – wie das so viele Regisseure in ihren Filmen machen – des Öfteren einstreut. In der Wohnung der Hauptfigur sieht man z.B. ein Portrait von Marilyn Monroe oder aber auch Fotografien von Jack Nicholson aus „Shining“ (1980). Schließlich ist aber auch bei diesem Film – wie später auch bei „Memento“ – bereits Tarantinos „Pulp Fiction“-Einfluss, in der Art wie der Film die Handlung erzählt, deutlich spürbar. Wenngleich der Film aufgrund der schauspielerischen Leistungen nicht mit „Memento“ mithalten kann und auch wenn die Handlung eigentlich ein paar Fehler aufweist (die einem allerdings nur auffallen, wenn man sehr ausgiebig darüber nachdenkt), so ist das Drehbuch von „Following“, aufgrund seiner Wendungen und v.a. dem Ende, vielleicht sogar das noch klügere als das vom Folgefilm. Wer auf richtig kluge ‚twists‘ und auf non-lineare Handlungsverläufe steht, findet in „Following“ ohne Zweifel einen potentiellen Lieblingsfilm.

< Ich werde mich zwar hüten hier auch nur irgendetwas zu ’spoilern‘, aber wer den Film noch nicht gesehen hat und schon jetzt weiß, dass er dies nun tun wird, sollte vielleicht jetzt zum Abschnitt nach „Spoiler Ende“ springen. Denn ohne auch nur irgendwas über die Handlung des Films zu wissen, gänzlich ohne Vorkenntnisse, wirkt der Film einfach bestimmt noch weit besser. Der Film ist, das kann hier an dieser Stelle schon verraten werden, richtig gut und überaus empfehlenswert. Wer dennoch mehr wissen will… es wird auch in den folgenden Absätzen nichts Essentielles verraten. >

#Pulsierende Musik. Störgeräusche. schrill quietschende Töne# Eine Hand quält sich in Gummihandschuhe. Eine Schatulle wird geöffnet. Die Hand ergreift sich intime Gegenstände, Wertgegenstände, Geld. Die kleine Kiste wird wieder verschlossen. Ein schwarzes Bild. Eine Stimme ertönt aus dem ‚Off‘. Das Gesagte gleicht einem Bericht. Die Stimme erzählt von Langeweile, von Einsamkeit und von der Faszination und Sucht wildfremde Menschen auf der Straße zu verfolgen, zu beobachten. Ohne wirklichem Grund. Einfach aus Interesse an den Menschen. Regeln müssen aufgestellt werden, denn es wird zu gefährlich. Regeln werden gebrochen. Ein Mann mit einer Tasche, ein anderer Mitte Zwanzig verfolgt und beobachtet ihn. Er folgt ihm in ein Café, setzt sich 2 Tische entfernt von ihm hin und bestellt. Plötzlich steht der Verfolgte jedoch vor ihm, spricht ihn an, setzt sich zu ihm an den Tisch.
Die Situation ist dem Verfolger sichtlich peinlich und die Angespanntheit geht auf den Betrachter des Films über. Wie wird der Verfolgte reagieren? Was wird er machen? Wer ist dieser Mann? Hat er dieses Mal vielleicht gar den Falschen verfolgt? – sich mit dem Falschen angelegt?

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Wer meint, dass das Verfolgungs- bzw. ’stalking‘-Szenario schon genug für einen großartigen und aufregenden Film hergeben würde, hat natürlich Recht, doch der Film begnügt sich nicht damit. Grenzen von Privatsphären werden noch weiter überschritten.
Außerdem zeigt sich uns der Protagonist plötzlich mit einer anderen Frisur, eine Szene später mit Gesichtsverletzungen. Ist es überhaupt dieselbe Person? Doch! Es ist dieselbe Stimme! Aber was ist wirklich passiert?

< ‚Spoiler‘ Ende! >

Das Schreiben von Drehbüchern ist Nolans wirklich große Stärke, das zeigt er auch schon bei diesem ersten Film. Es ist das Gerüst jedes guten Films und auch bei „Following“ es ist einfach nur aufregend und spannend dem Hauptcharakter zu folgen, das Rätsel der Geschichte zu lösen. Sie beinhaltet „Aha!“-Erlebnisse am laufenden Band. Wie eine Zwiebel, die abgeschält wird, nähert man sich dem Kern der Geschichte bis man am Schluss dieselbe Erfahrung macht, wie auch die Hauptperson. Das ist so unglaublich klug gemacht, dass man sich wundert, warum dieser Film in Cannes keinen Preis erhielt, wie dies z.B. „La Haine“ ein paar Jahre vorher gelang. Das liegt nur daran, dass der Film sichtlich überhaupt kein Budget hatte. Man sieht ihm, obwohl es die Schauspieler zu einem großen Teil richtig gut machen (die ‚femme fatale‘ jedoch leider nicht immer), dennoch einfach noch die semi-professionelle Herangehensweise an; man muss Abstriche in Kauf nehmen, wenn man diese großartig erzählte Geschichte verfolgen will. Aber die sind es allemal wert. „Following“ ist ein ziemlich großartiger Film, der Nolan mit ein bisschen mehr Geld vielleicht schon vor „Memento“ den Weg geebnet hätte; andererseits ist vielleicht aber gerade auch dieses Underground-Feeling, das diesen Film umweht, auch sein besonderer Charme. Ein großartiger Film!

9-star (9/10; Super! mehr als empfehlenswert!)

Für mich neben „Memento“ sein bester Film. Ich weiß, das werden viele nur ungern akzeptieren, aber „Batman“ juckt mich einfach nicht, hat es noch nie getan, auch wenn die „Dark Knight“-Filme schon gut sind, aber sie geben mir nicht viel. Wenn diese Filme aus sind, war ich einfach nur gut unterhalten – mehr nicht. (abgesehen davon, dass ich Christian Bale… naja… das vielleicht ein anderes Mal). Viel Spaß mit diesem Film!

„Following“ (1998); kompletter Film; Sprache: Englisch; alternativer ein-/ausblendbarer Untertitel: Portugiesisch

https://www.youtube.com/watch?v=G-EWM-8CIhY

deutsche Untertitel: Wer in Englisch nicht so gut ist oder wer Untertitel trotzalledem bevorzugt: Mit ein bisschen Recherche findet man sehr schnell Möglichkeiten den Film von ‚youtube‘ herunterzuladen. Auf ‚banksubtitles‘, ‚OpenSubtitles‘ usw. findet man dann Untertitel, die man lediglich in denselben Ordner legen muss. Verwendet man nun den ‚VLC-Player‘, erkennt er diese auch sofort, wenn das ‚File‘ denselben Namen wie der Film trägt. Für „Following“ gibt es auch welche in deutscher Sprache.

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