The Misfits – nicht gesellschaftsfähig (1961); Filmkritik und Hintergrund

Ein Film über das Scheitern, von momentan Gescheiterten, wen wundert’s, dass sie daran scheiterten?

„The Misfits“ war Marilyn Monroes letzter Film. Er entstand zu einer Zeit als sie schon schwer tablettenabhängig und psychisch völlig neben der Spur war. Es ging ihr mittlerweile schon so schlecht, dass sogar die Dreharbeiten, da man sie in eine psychische Anstalt einlieferte, für 2 Wochen unterbrochen werden mussten. Ihr weiteres Schicksal war schon absehbar, sodass der Regisseur Huston in einem Interview im Jahr 1981 sagte, dass es offensichtlich war, dass Monroe „doomed“ war. Für ihn war evident, dass sie sich weder selbst, noch andere ihr mehr helfen konnten. Monroe, der es zu dieser Zeit auch an Selbstbewusstsein fehlte, war stets mit sich unzufrieden, ihre „performance“, auch in diesem Film, habe sie gehasst. Ein Jahr später war sie bereits tot.

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Dieser Film war aber auch der Letzte in dem Clark Gable mitspielte. Dem damals bereits 60-Jährigen sah man sein Alter auch an, wenngleich er selbst das offensichtlich viel weniger so sah. Noch immer trug er, jetzt mit ledriger Haut, seinen typischen Oberlippenbart, der irgendwie so gar nicht mehr in die Zeit und auch nicht zu seiner bodenständigen Rolle des Cowboys der 60er-Jahre passte. Der alte Mann gab, als sei er noch immer ein Jugendlicher, auch seine Stunts nicht an Profis ab. Stattdessen ließ er sich lieber selbst 120 Meter bei (angeblich) rund 50 km/h an einem Seil durch den Wüstensand schleifen. Zwei Tage nach Beendigung der Dreharbeiten hatte er eine schwere Herzattacke und war schließlich eine weitere Woche später bereits ebenfalls tot.

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Der Autor Arthur Miller (u.a. „Tod eines Handlungsreisenden“), damals noch mit Marilyn Monroe verheiratet, schrieb, wohl im Gedanken seiner Frau zu helfen, das Drehbuch zu diesem Film. Dieses war gleichsam auf sie zugeschnitten, sodass sie als Schauspielerin die beste Leistung vollbringen sollte. Der Autor war auch während der Dreharbeiten stets anwesend, schrieb es vor Ort noch ständig um und wurde von seiner Frau – so wird berichtet – richtig mies behandelt. Alle Anwesenden konnten sehen, wie vor ihren Augen die Ehe Monroe-Miller zerbrach. Zwei Monate nach den Dreharbeiten zu „The Misfits“ ließen sich die beiden auch offiziell scheiden. Immerhin hatte Miller aber auch genau bei diesen Dreharbeiten seine zukünftige nächste Ehefrau kennen gelernt: die österreichische Magnum-Fotografin Inge Morath. Sie heirateten ziemlich bald nach der Premiere des Films – wenigstens ein ‚happy end‘. Für Marilyn Monroe war die Scheidung aber tragisch, es verschlimmerte ihr Leiden.

Regisseur des Films war John Huston, Vater von Anjelica Huston. Wie seine noch lebende Tochter hatte auch er sich bereits mit Filmen wie „Der malteser Falke“, „Der Schatz von Sierra Madre“, „African Queen“, „Asphalt Dschungel“, „Key Largo“ und anderen längst in die Geschichte der Filmkunst eingeschrieben, aber in jener Zeit gleich mit 5 Filmen in Folge nur mehr sehr wenig erreicht. Mt Marilyn Monroe konnte dieser, da er sie stets respektvoll behandelte, jedoch sehr gut, so schien er für diesen Film, mit dem als schwierig angesehenen Sexsymbol, die richtige Wahl zu sein. Doch während Monroe die Diva markierte, zu ihren Drehs zu spät oder gar nicht erschien, verfiel der Regisseur während der Dreharbeiten der Spielsucht im nahegelegenen Reno. Ein schwerwiegendes Alkoholproblem hatte dieser jedoch schon länger, das war nichts Neues. An einen der Drehtage sagte er zu Eli Wallach, einem weiteren Schauspieler, dass er noch nie zuvor so betrunken war, wie letzte Nacht. Er wirkte zwar auf die anderen nüchtern, aber er war zuweilen sogar am Set des Öfteren so weggetreten, dass er während einer Szene einschlief.

In einer weiteren Rolle dieses tragisch-komischen Schauspiels hinter (und in diesem Fall auch vor) der Kamera Montgomery Cliff. Cliff war wie – so scheint es – fast alle anderen ebenfalls bereits alkoholsüchtig. 5 Jahre vor diesem Film hatte er einen Autounfall, sein Gesicht musste durch plastische Chirurgie wiederhergestellt werden und dieses war in der Folge dann auch partiell gelähmt. Aufgrund der Tabletten, die er nehmen musste, wurde er auch noch tablettenabhängig und er zeigte selbstzerstörerische Tendenzen. Keine Versicherung wollte den mittlerweile als unzuverlässig Verschrieenen versichern, aber für diesen Film war er natürlich eine ganz wunderbare Ergänzung. Seine Karriere nach dem Autounfall galt vielen als der „längste Suizid in der Geschichte Hollywoods“. Marilyn Monroe sagte im Erscheinungsjahr dieses Films, er sei die einzige Person, die sie kenne, der in einer noch mieseren Verfassung als sie selbst sei.

Alle an den Dreharbeiten Beteiligten litten schließlich auch noch an der Hitze in der Wüste Nahe Reno, in der es meist um die 42°C hatte und wo man die meisten Szenen drehte. Während Las Vegas berühmt für unbedachte Eheschließungen ist, so ist Reno dies für Scheidungen. Nirgendwo sonst in den U.S.A. kann man sich leichter und unbürokratischer voneinander trennen; „going to Reno“ wurde aufgrund dessen eine geläufige Redewendung und Umschreibung für „sich scheiden lassen“. Keine Stadt symbolisiert also so sehr das persönliche Scheitern wie Reno. Wie das benachbarte Las Vegas ist es aber auch ein „Sündenpfuhl“, ein Mekka der Spiel- und Alkoholsüchtigen. Eine derartige Truppe an Alkoholikern dort zusammenzupferchen, war natürlich eine glorreiche Idee! Das musste doch ein großer Film werden, oder etwa nicht?

Diese Horde an „Irren“ machen nun also dann auch noch einen Film über „mis-fitting people“, Leute, die nicht in die Gesellschaft passen. Ein Film über Unangepasste, über Gescheiterte. Wer konnte nur daran zweifeln, dass man all das dem Film nicht ansehen musste? Wer konnte daran glauben, dass das Projekt nicht scheitern würde?! Der Film floppte natürlich an den Kinokassen! Es war ein „box office desaster“, niemand wollte den Film sehen, keiner mochte die von den Stars verkörperten Charaktere, er funktionierte einfach nicht, sagte der Produktionsassistent einige Jahre später in einem Interview.

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Heute ist der Film jedoch ein Klassiker, was zunächst wohl in erster Linie auf all diese Umstände, die oben erläutert wurden, zurückzuführen ist. Es gibt nicht umsonst einige Dokumentation über die Arbeiten an diesem Film, v.a. liegt es aber selbstverständich auch daran, dass dies der letzte Film von Marilyn Monroe, der „sexiest woman on earth“ – und zwar „EVER!“, war. Marilyn Monroe ist zweifellos auch heute noch faszinierend. Es ist schwer zu sagen, ob dies wirklich allein nur aufgrund ihres Aussehens so ist, oder weil wir alle von diesen Geschichten um ihre Anziehungskraft bereits so manipuliert sind, aber es fällt tatsächlich auch heute noch schwer den Blick von ihr loszureissen. Tatsächlich spielt sie aber auch in diesem Film zumindest passagenweise richtig gut und glaubwürdig.

Von den damaligen Kritikern wurde der Film als solcher zwar oftmals verrissen, aber neben Monroes Auftritt wurde auch Clark Gables ‚performance‘ gelobt. Interessant dabei ist seine erste Szene im Film, denn man sieht sein Gesicht nur für ein paar Augenblicke von der Seite, bevor man schließlich ewig lange nur auf seinen Hinterkopf starrt, während dieser sich mit einer Frau unterhält. Man verwendet also nicht „Schuß- und Gegenschuß“-Einstellungen, wie dies sonst bei Dialogen sehr oft üblich ist, sondern sieht nur die Frau, die für die eigentliche Handlung und auch für den Zuschauer relativ uninteressant ist. Das steigert die Spannung immens, denn man will doch Clark Gable sehen! Als dieser sich dann schließlich doch zur Kamera dreht, sieht man das Gesicht dieses sichtlich wirklich gealterten Mannes mit dem Oberlippenbart aus den 20ern, der nicht in die Zeit zu passen scheint. Warum auch Clark Gables Darstellung so gelobt wird, versteht man allerdings erst aufgrund der zweiten Hälfte des Films.

Überhaupt kann man fast alle negativen Punkte der damals zeitgenössischen Zeitungskritiken (und auch die Selbstkritik der Produzenten) gerade in der ersten Hälfte des Films sehr gut nachvollziehen. Tatsächlich ist dieser eher depressiv und man bringt den Charakteren zunächst auch noch wenig Sympathie entgegen, was vor allem an den Dialogen liegt. Sie sind in dieser ersten Hälfte des Films nur wenig unterhaltsam, wenngleich sie für Nevada und die Westküste durchaus typisch und zumindest inhaltlich auch realistisch sind. Die großen Stars wirken in dieser ersten Hälfte des Films jedoch deplatziert, das Ganze fühlt sich (mit den Weichzeichnern, usw.) aufgesetzt an.

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Darüber hinaus ist der Film zum Teil dann auch noch wirklich schlecht gemacht, was seinem Status als Kultfilm einfach widerspricht. Dies betrifft in diesem Fall vor allem den Schnitt, wie folgende Szene (ab ungefähr 23:40) als Beispiel gleich mehrmals zeigt: Als Monroe die Idee mit dem Autoradio hat, dreht sie ihren Oberkörper, obwohl sie in der vorigen Einstellung doch gar nicht von uns abgewandt war. Kurz darauf sagt die ältere Dame (Thelma Ritter), dass sie sich ein ‚Sandwich‘ macht, und fragt, ob auch andere eines wollen. Die so knapp darauf eingeblendete Antwort Marilyn Monroes, dieses leicht gequitschte „okay“, das ist dann schließlich aufgrund des Schnittes schon fast so trashig und unfreiwillig komisch wie bei Ed Wood-Filmen.

https://www.youtube.com/watch?v=1lQ7xQfNMmc?t=23m40s

Diese schlecht gesetzten Schnitte, die man auch an anderen Stellen des Films finden kann, lassen eigentlich eher weniger auf einen hochqualitativen Hollywoodfilm schließen, aber man könnte annehmen, dass diese letztlich mit Monroes ‚performance‘ zu tun haben. Dass nämlich das Ausgangsmaterial, das dem Cutter zur Verfügung stand, nur passagenweise annehmbare Qualität zeigte und auf dem zugrundeliegenden Bildmaterial einfach auch vieles rausgeschnitten werden musste. Monroe spielte nach der Strasberg-Methode, ihre Schauspiellehrerin Paula Strasberg (Ehefrau von Lee Strasberg, der Erfinder des ‚method actings‘) war auch bei den Dreharbeiten anwesend und trainierte mit ihr nachtsüber. Sie sollte also über eigene Erfahrungen und Gefühle in ihre Rolle finden und nicht umsonst wurde auch schon das Drehbuch ihres Mannes an ihrer eigenen Person angelehnt, was ihr all dies noch zusätzlich erleichtern sollte. Tatsächlich hatte sie aber dennoch irrsinnig große Probleme ihre Texte zu lernen, so ist anzunehmen, dass die Schauspielerin oftmals sogar gezwungen war zu improvisieren oder dass man sie – wenn es ihr wirklich schon so schlecht ginge – durch Tricks dazu brachte. Letztlich war ja auch vielmehr das vielleicht der Grund, warum Miller, der Drehbuchautor, das ’script‘ während der Dreharbeiten mehrmals umschrieb. Diese oben gezeigte Passage – so scheint es – könnte jedoch tatsächlich ein sichtbarer Beweis dafür sein, dass es der Schauspielerin zu diesem Zeitpunkt nicht besonders gut ging, oder aber, dass sie während des Drehs zum Teil schon verzweifelt war und vielmehr gar nicht mehr wirklich spielte, sondern wirklich nur mehr sie selbst war. So oder so, der Regisseur hätte diese Passagen, wenn der Schnitt aufgrund mangelndes Materials so mies erfolgte, noch einmal drehen müssen, der Schnitt direkt vor diesem ‚okay‘ ist einfach unmöglich und er hätte das eigentlich nicht so akzeptieren dürfen.

So interessant diese Passage auch ist, Ähnliches, in dem der Schnitt Monroes Schauspiel so völlig ruiniert, findet man im Film sonst nicht wieder, vielmehr weiss sie tatsächlich an anderen Passagen sehr zu überzeugen. Schließlich wird der Film in der zweiten Hälfte (allerdings dauert es bis dahin eine Stunde), spätestens mit der Reise in die Stadt, in welcher das Rodeo stattfindet, dann auch noch richtig gut. Die Figuren werden nachvollziehbarer, die Geschichte interessanter. Es rücken nun auch die männlichen Rollen und deren Schicksale, sowie deren Einstellung zur Welt mehr in den Vordergrund. Monroes Rolle bleibt aber überaus wichtig, da sich die Männer durch sie wandeln oder auch preisgeben.

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Der Film zeigt nun ganz ohne Glamour und auch relativ realitätsnah, also jetzt völlig ohne Weichzeichner, seine dramatischen Charaktere. Der Höhepunkt ist dabei der Abend in dem alle 3 Männer völlig betrunken sind. Der Film wandelt sich nun plötzlich, ab diesem Zeitpunkt, in eine tiefergreifende Kritik des ‚american dreams‘ und an jener Welt, in der sich die drei Männer befinden. Diese Kritik kulminiert in den unvergesslichen und überragenden abschließenden Szenen des Films, in welchen die Männer die Wildpferde einfangen. Alle drei Männer reagieren nun auf den Einfluss der Frau. Der ehemalige Soldat, ein aus amerikanischer Sicht typischer Held, erweist sich hier nun durch seine Erfahrungen als jemand, der auch die ganze Welt sprengen würde, wenn es ihm nur zum Vorteil wäre, und der von Clark Gable verkörperte Cowboy erkennt schließlich dass die vermeintliche Freiheit des Cowboys in der heutigen Welt nicht mehr zu halten ist, ja sogar viel weniger mit der Freiheit, als mit dem Töten derselben zu tun hat.

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In der damaligen Kritik wurde der Film gar als ein europäischer bezeichnet, tatsächlich ist er jedoch ein höchst amerikanischer Film; wenngleich auch kein Hollywoodfilm, so ist es einer aus der Sicht der Ostküste. Es ist ein Film der die blödsinnige Cowboy-Sentimentalität und den Cowboy-Mythos entlarvt, was ihn aus diesem Grund bis heute interessant und aktuell macht. Dennoch zeigt sich der Film als solcher völlig uneinheitlich: Während der erste Teil noch aufgesetzt und künstlich wirkt, so bekommen die Charaktere im zweiten Teil etwas so ehrliches, dass man fast schon meint, es handle sich um einen Independent-Film. Besonders markant ist dabei die überaus lange Szene des Telefonats, in welcher Montgomery Clift in nur einem ’shot‘ und in nur einem ‚take‘ diese Passage grandios runterspielte. Sie scheint zunächst überhaupt nicht in diesen Film zu passen, sie ist z.B. auch für einen Kommerzfilm viel zu lange, aber sie ist schließlich die einleitende Szene für den weit besseren, wirklich guten zweiten Teil des Films. Dass dieser Film in den U.S.A. (finanziell) scheitern musste, war schließlich nicht nur aufgrund der Beteiligten, sondern vor allem auch aufgrund des Inhalts abzusehen.

7-star

(flimmerspiegel-Wertung: 7; gut)

„The Misfits“ (1961); komplette Film, Sprache: Englisch

https://www.youtube.com/watch?v=1lQ7xQfNMmc

Englische Untertitel: Wer Probleme hat den in diesem Film doch sehr amerikanischen ’slang‘ zu verstehen: Mit ein bisschen Recherche findet man sehr schnell Möglichkeiten den Film von ‚youtube‘ herunterzuladen. Auf ‚banksubtitles‘, ‚OpenSubtitles‘ usw. findet man dann Untertitel, die man lediglich in denselben Ordner legen muss. Verwendet man nun den ‚VLC-Player‘, erkennt er diese auch sofort, wenn das ‚File‘ denselben Namen wie der Film trägt. Für „The Misfits“ konnte ich dort jetzt gerade zwar nur englische Untertitel finden, aber auch das sollte ja bereits sehr hilfreich sein.

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